Expertinnen-Gespräch zu Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Herford. „Nur JA heißt JA!“ – unter diesem Motto hatten die GRÜNE JUGEND und der grüne Kreisverband im Kreis Herford anlässlich des Internationalen Frauentages zu der Veranstaltung „Nur Ja heißt Ja!“ eingeladen. Gesprächsthema war (sexualisierte) Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Mit dabei waren die beiden grünen Landtagsabgeordneten Norika Creuzmann aus Paderborn und Julia Eisentraut aus Lippe sowie Wiebke Nolte von femina vita, Mädchenhaus Herford e.V. und Lina Klostermeyer, Gleichstellungsbeauftragte im Kreis Herford.
In Deutschland gilt seit 2016 im Sexualstrafrecht das Prinzip „Nein heißt Nein“, Betroffene müssen also bei Vergehen nachweisen, dass sie sich gewehrt haben. Die Expertise der Gäste zeigte eindeutig, dass „Ja heißt ja“, wie es etwa in Spanien oder Schweden gilt, ein viel besseres Prinzip ist, da es einfacher auszuführen ist und die Beweislast umkehrt.
Die Idee für die Veranstaltung entstand aufgrund der kürzlich erfolgten Einigung zur EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Zentrales Element der EU-Richtlinie sollte der Tatbestand der Vergewaltigung sein, EU-weit vereinheitlicht nach dem Einwilligungsansatz „Nur ja heißt ja“. Aber Deutschland hat dies blockiert, da die FDP juristische Bedenken hat. „Eine verpasste Chance,“ sagt Irmgard Pehle vom grünen Kreisverband.
Norika Creuzmann, die 30 Jahre im autonomen Frauenhaus Paderborn gearbeitet hat, empfindet Deutschland als viel zu langsam in der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen: „Schon, dass es von der Ratifizierung der Istanbul-Konvention bis zur alles andere als gelungenen Strafrechtsreform mit dem Nein-heißt-Nein-Prinzip bis 2016 gedauert hat, ist eigentlich unfassbar“. Die Instanbul-Konvention ist das Übereinkommen des Europarats und wurde 2011 in Istanbul verabschiedet. Sie ist ein völkerrechtlich bindendes Instrument zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen. „Und dass der Bundestag erst 1997 beschlossen hat, dass Vergewaltigung in der Ehe strafbar ist, spricht ja für sich. CDU-Chef Friedrich Merz hat damals übrigens dagegen gestimmt“, sagt Creuzmann.
Die neue EU-Richtlinie stellt aber nun auch Formen der Cybergewalt unter Strafe. Julia Eisentraut, Sprecherin für Digitalisierung, Wissenschaft und Weiterbildung der GRÜNEN Landtagsfraktion, sieht hier eine immer noch unterschätzte und massiv wachsende Gefahr. „Geschlechtsspezifische digitale Gewalt ist extrem häufig, dadurch sollen Frauen eingeschüchtert und aus dem öffentlichen Diskurs verdrängt werden. Der neue Rechtsrahmen der EU ist dringend erforderlich, da er nun auch die Social-Media-Plattformen zum Handeln zwingt.“
Viele Mädchen, die sich an femina vita, Mädchenhaus Herford e.V. wenden, haben Gewalt oder sexuelle Gewalt erfahren. „‘Nein heißt Nein‘ hört sich wahnsinnig einfach an, ist es aber in der Lebensrealität überhaupt nicht. In 95 Prozent der Fälle erleben Mädchen und junge Frauen sexuelle Gewalt im sozialen Umfeld, Familie oder Beziehung. Da gibt es oft Vorgeschichten und einen schleichenden Prozess. Dann nachzuweisen, dass man das Geschehen nicht wollte, ist fast unmöglich,“ sagt Geschäftsführerin Wiebke Nolte.
Auch in der Gleichstellung spielt Gewalt gegen Frauen eine wichtige Rolle. Lina Klostermeyer erklärt: „Ich bin auch Geschäftsführerin vom Fachforum gegen häusliche Gewalt im Kreis Herford. Es ist für uns dabei ganz wichtig, dass wir uns mit den Beratungsstellen, der Polizei, mit den Jugendämtern, einer Anwältin und anderen Gleichstellungsbeauftragten vernetzen, austauschen und gemeinsam nach Lösungen suchen.“
Alle Expertinnen waren sich einig, dass gerade die Vernetzung von Frauen untereinander und den unterstützenden Stellen ein wesentlicher Schlüssel zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist. Und dass Veranstaltungen wie diese einen wichtigen Beitrag dazu leisten.